Erklärung der Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Hochschulstrukturen des Landes Sachsen-Anhalt (4. Hochschulstrukturgesetz) und zur Neufassung des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA)

04.11.2003 -  

Der am 21.10.2003 von der Landesregierung beschlossene Entwurf des o. g. Gesetzes steht den Hochschulen des Landes erst seit dem 22.10.2003 im Wortlaut zur Verfügung. Der Zeitraum bis zum Tag der Anhörung am 04.11.2003, der nicht einmal zwei Wochen beträgt, war in keiner Weise ausreichend, um die Hochschulen zu informieren und einen gründlichen Willensbildungsprozess durchzuführen. Angesichts der massiven Eingriffsmöglichkeiten in die Autonomie der Hochschulen und angesichts der zahlreichen gravierenden Veränderungen gegenüber dem derzeitigen geltenden Hochschulgesetz wäre dies dringend erforderlich gewesen. Die Rektoren sehen sich deshalb außerstande, ein Votum für ihre Hochschulen abzugeben. Sie protestieren gegen diese Vorgehensweise, die auch dadurch nicht gerechtfertigt wird, dass das Ministerium seinerseits unter Zeitdruck steht. Die Hochschulen haben seit Anfang des Jahres wiederholt Anlass gehabt, an der Art und Weise der Einbeziehung und Information der Hochschulen Kritik zu üben. Dies ist ein weiterer Beweis mangelnder Rücksichtnahme auf die Hochschulen.

 

Die Rektoren behalten sich deshalb die Stellungnahmen ihrer Hochschulen ebenso wie eine rechtliche Überprüfung von Art. 1 § 1 S. 2 und 3 des 4. Hochschulstrukturgesetzes für einen späteren Zeitpunkt vor. Sie werden sich bei dieser Anhörung nur zu einzelnen Punkten äußern und dabei nur ihre persönlichen Einschätzungen zum Ausdruck bringen.

 

Zwar weist Art. 1 § 1 S. 1 auf die Vorrangigkeit der Zielvereinbarungen. Da der Minister aber bis Ende des Jahres 2005 ein faktisch unbegrenztes Recht zur Aufhebung, Zusammenführung oder Änderung von Fachbereichen sowie zur Einführung, Änderung, Aufhebung und Verlagerung von Studiengängen hat, ist zu befürchten, dass die Vereinbarung von Zielvereinbarungen von vornherein unter ungleichen Bedingungen erfolgt. Denn bei einem Scheitern der Zielvereinbarungen kann der Minister auf seine Ermächtigung zurückgreifen.

 

Die rechtlich unumgängliche Bestimmung in S. 3, dass die Hochschulen auch in den aufgehobenen Studiengängen allen immatrikulierten Studierenden den Abschluss ihres Studiums ermöglichen müssen, macht die Realisierung der den Hochschulen auferlegten Finanzkürzungen zusätzlich schwierig. Es soll nicht verkannt werden, dass diese Novelle den Hochschulen auf einigen Gebieten größere Handlungsspielräume eröffnet. Dagegen steht aber die neue Bestimmung, dass das Kultusministerium sich entgegen der derzeitigen Rechtslage die Genehmigung der Studiengänge vorbehält. Das ist nach Einführung der Budgetierung, Zielvereinbarungen und vergrößerten Befugnissen von Rektoren und Dekanen unverständlich und konterkariert in einem zentralen Bereich die neuen Steuerungsinstrumente. Gerade in der Situation des Übergangs zu Bachelor/Master-Studiengängen kann dies zu einer Neuauflage der bürokratischen Herrschaft führen, die wir für überwunden gehalten haben.

 

In der Bilanzierung der gegenläufigen Tendenzen dieses Gesetzes wird die Autonomie der Hochschulen nicht größer, sondern erheblich eingeschränkt. Dazu trägt auch die Tendenz zur Überregulierung bei. So richtig es ist, dass das formalisierte Qualitätsmanagement in Zukunft einen höheren Stellenwert einnehmen wird, so sollte sich der Gesetzgeber hier viel stärker zurückhalten. Beschreibende Aussagen über Vorgehensweisen der Hochschulen mit allenfalls unterschwelliger normativer Bedeutung gehören nicht ins Gesetz. Wie sich das externe Qualitätsmanagement in Zukunft entwickeln wird (institutionell, aufwands- und kostenmäßig, Bedeutung für das Marketing etc.), lässt sich derzeit gar nicht vorhersagen. Umso sinnvoller ist es, sich auf wenige Grundsätze zu beschränken und das Übrige den Zielvereinbarungen und der künftigen Entwicklung zu überlassen.

 

Eine Überregulierung stellt auch die Normgröße für Fakultäten/Fachbereiche und die Vorschrift, in das BA/MA überzuwechseln. Entweder erzwingt der Gesetzgeber eine grundlegende Umorganisation, deren Sinn und Notwendigkeit sich nicht begründen lässt, oder die Norm läuft ins Leere, wenn das Ministerium abweichende Regelungen großflächig als Ausnahmetatbestände hinnimmt. Auch dadurch würde der diskretionäre Handlungsspielraum des Ministers erheblich vergrößert.

 

Mit der Stärkung der Leitungsebenen (Rektorate, Dekane) folgt die Novelle der Vorgehensweise anderer Bundesländer. In Verbindung mit den Vollmachten des Ministers, über Rechtsverordnungen in genuine Rechte der Hochschulen einzugreifen, wird dies überwiegend als eine Gefahr für die innere Autonomie angesehen. Dazu werden sich die Hochschulen noch eingehend äußern. Doch sollte jetzt schon hervorgehoben werden, dass die Bestätigung des Haushalts und der Zielvereinbarungen durch den Senat unbedingt beibehalten werden sollte. Eigene Befugnisse des Rektorats in diesem Bereich könnten zu einer nicht wünschenswerten Verselbständigung der Rektorate führen.

 

gez.

Prof. Dr. K. E. Pollmann

Präsident der Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt

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