Hochschulen entscheidende Pfeiler der Landesentwicklung
Angesichts der aktuellen Vorstellungen der Landesregierung zu Einsparungen im Hochschulbereich weist die Landesrektorenkonferenz Sachsen-Anhalt (LRK) auf nachfolgende Fakten hin, die eine Einordnung der Problemlage erleichtern:
- Entgegen der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung im Lande und früherer Annahmen hat sich die Zahl der Studierenden in den letzten Jahren regelmäßig erhöht und liegt heute bei über 54.000. Trotz dieses Zuwachses beschränkt sich die Landesfinanzierung seit Jahren (2004) unverändert auf 33.000 Studienplätze an den Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Fachhochschulen). Dies bedeutet, dass mehr als 20.000 Studierende immatrikuliert sind, deren Finanzierung die Hochschulen aus anderen Quellen organisieren (z. B. aus dem Hochschulpakt von Bund und Ländern) bzw. als fortwährende Überlast im wohlverstandenen Landesinteresse sicherstellen.
- An den Hochschulen des Landes studieren in den letzten Jahren durch Marketinganstrengungen und in Abstimmung mit der Politik des Landes kräftig gesteigert derzeit mehr als 14.000 Studierende aus den so gen. alten Bundesländern, hinzu kommen mehr als 6.000 ausländische Studierende. Es war bislang erklärte Politik der Landesregierung, dass es für die Entwicklung Sachsen-Anhalts sinnvoll und wünschenswert ist, wenn in erheblichem Maße der Zuzug junger Menschen zu Studium, wissenschaftlicher Weiterqualifizierung oder Berufseinstieg organisiert wird. Diese Aufgabe haben die Hochschulen in den vergangenen Jahren angenommen, eindrucksvoll erfüllt und damit dazu beigetragen, den Wanderungssaldo wieder auszugleichen. Der pauschale Hinweis auf eine vermeintlich zu hohe Zahl von Studierenden geht vor dem Hintergrund der oft beschworenen demographischen Herausforderungen Sachsen-Anhalts ins Leere.
Im Gegenteil: Dank hoher Attraktivität und konsequenter Werbung jenseits der Landesgrenzen sichern die Hochschulen somit einen erheblichen Anteil des dringend erforderlichen Zuzugs und der Fachkräfte für das Land. Dies ist für die kulturelle Vielfalt wie auch die wirtschaftliche Entwicklung Sachsen-Anhalts unerlässlich. Dass davon zudem ein erheblicher Kaufkrafteffekt ausgeht, wurde seitens der LRK bereits dargelegt. - Diese positive Entwicklung der Studierendenzahlen wird flankiert von einer wachsenden Anzahl hier im Lande verbleibender Akademikerinnen und Akademiker, die ihr Studium in Sachen-Anhalt abgeschlossen haben. Eine repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie ALLENSBACH im Auftrage der Hochschulen der neuen Länder unter den deutschen Absolventen aus dem Sommer 2012 hat ergeben, dass ein erstaunlich hoher Anteil von 43 % nach dem Studium in den ostdeutschen Ländern verblieben ist und somit dem Fachkräftemarkt zur Verfügung steht. Die Hochschulen tragen auf diese Weise sehr deutlich dazu bei, drängende Probleme der Regionen zu bewältigen; diese Befragung dokumentiert den so gen. „Klebeeffekt“ der Hochschulen.
Bislang vermochte keine andere Maßnahme des Landes in diesem Ausmaße dafür zu sorgen, dass junge, hochqualifizierte Menschen in Sachsen-Anhalt ihren Berufs- und Lebensmittelpunkt wählen. - Angesichts des Finanzdrucks, der auf den öffentlichen Haushalten liegt, verweigern sich die Hochschulen keiner sinnvollen Strategie zur Weiterentwicklung der Wissenschaftslandschaft in Sachsen-Anhalt. Es bedarf dafür jedoch eines Maßnahmenkatalogs, der die vorgenannten Fakten wie auch die Besonderheiten des Wissenschaftssektors berücksichtigt. Kurzfristige Einspareffekte lassen sich in diesem Bereich weder erzielen noch seriös erwarten.
- Um die Leistungsfähigkeit, Potenziale und Entwicklungschancen der Hochschulen des Landes bewerten zu lassen, hat die Landesregierung Ende 2011 den Wissenschaftsrat (WR) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. 2012 haben Gutachtergruppen des Wissenschaftsrats alle Hochschulen untersucht; das entsprechende Gutachten wird in den nächsten Wochen erstellt. In einem äußerst aufwändigen Verfahren wurden dabei Erfolge wie Defizite des Systems identifiziert und erörtert. Der Wissenschaftsrat wird - wie vereinbart - in den nächsten Monaten sein Gutachten der Landesregierung vorlegen; darauf aufbauend ist ein vernünftiger, wissenschaftsadäquater Umbau der Hochschullandschaft zur Hebung weiterer Potenziale sinnvoll und wird von den Hochschulen nicht verweigert. Die jetzt vor Bekanntgabe des WR-Gutachtens durch Ministerpräsidenten und Finanzminister eröffnete Diskussion um radikale Budgetkürzungen an den Hochschulen Sachen-Anhalts greifen diesem bislang nicht vorliegenden Begutachtungsergebnis ohne Not voraus.
Die Hochschulen sind selbstverständlich bereit, auf der Basis der WR-Empfehlungen für Sachsen-Anhalt mit dem zuständigen Ministerium und dem Finanzminister gemeinsam eine "Strategie 2020ff" zu entwickeln, die unvermeidbare Einsparungen in diesem Bereich mit einer sinnvollen Bewertung der Rolle der Hochschulen für die Landesentwicklung verbindet. Die aktuellen, kurzfristigen Forderungen aus der Landesregierung zur Reduktion der Budgets sind indessen völlig unrealistisch und bedürfen der kritischen Revision.
Wernigerode, Magdeburg, Halle/S., Merseburg, Köthen, den 22.03.2013
gez. Prof. Dr. Armin Willingmann
Rektor der Hochschule Harz
Präsident